Sanktionsgüter, Öl, Dual Use: Wie sich China am Ukraine-Krieg bereichert

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Statt wie der Westen Sanktionen gegen Russland zu verhängen, nutzt China diese als Chance. Der bilaterale Handel floriert infolge des Angriffskriegs gegen die Ukraine. Nicht nur bei russischen Energie-Exporten.

Während der Westen hofft, dass China Russland im Ukraine-Krieg mäßigt, dürfte Wladimir Putin bei seiner China-Reise etwas ganz anderes im Blick haben: Die Volksrepublik ist Russlands wichtigster Handelspartner. “Die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit China ist für Russland überlebenswichtig geworden”, konstatiert Janis Kluge von der Stiftung Wissenschaft und Politik in einer Studie zu den russisch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen.

So ist China das einzige große Industrieland, das weiterhin fast ohne Einschränkungen Handel mit Russland betreibt. Zwar brachen die chinesischen Exporte nach Russland im März und April ein. Grund könnten die angedrohten Sekundärsanktionen der USA sein. Demnach droht chinesischen Banken, die den Handel zwischen China und Russland finanzieren, ebenfalls mit Sanktionen belegt zu werden.

Auf die vier Monate seit Jahresbeginn gerechnet, ist der bilaterale Handel aber trotzdem noch um fast acht Prozent im Vorjahresvergleich gewachsen. Im ersten Halbjahr 2023 hatte der Handelsumsatz mit 114,5 Milliarden Dollar eine Rekordhöhe erreicht, mehr als ein Drittel der russischen Importe stammte aus China, wie Kluge erläutert. “Moskaus Ukraine-Invasion katapultierte den russisch-chinesischen Handel auf ein neues Niveau.”

Exporte für Russlands Waffenproduktion

China ist zu Russlands wichtigster Quelle für Güter geworden, die die EU und andere Länder mit Sanktionen belegt haben. Zu diesem Schluss kommt das IFO-Institut in einer aktuellen Studie. Gut 61 Prozent aller sanktionierten Produkte stammten mittlerweile aus der Volksrepublik. “China ist nach wie vor der wichtigste Handelspartner für Russland”, sagt die stellvertretende Leiterin des IFO-Zentrums für Außenwirtschaft, Feodora Teti. Gut die Hälfte aller Waren, die wichtig für die russische Wirtschaft oder Militärindustrie sind, kommen demnach aus der Volksrepublik.

Neben einem hohen Anteil an Laptops boomten dabei zuletzt Fahrzeuge, vor allem Lastwagen, und Fahrzeugteile. Russlands Fahrzeugproduktion, vor dem Angriff auf die Ukraine zum Großteil in der Hand westlicher Konzerne, ist zusammengebrochen. Der starke Anstieg des chinesischen Anteils an den Einfuhren nach Russland lässt sich laut IFO zumindest teilweise auch mit der gestiegenen inländischen Produktion in der Volksrepublik erklären.

Auch wenn China keine schweren Waffen an Russland liefert, stützen umfangreiche Exporte sogenannter Dual-Use-Güter, die auch militärisch genutzt werden können, die Ausweitung der russischen Waffenproduktion, wie Kluge schreibt. US-Außenminister Antony Blinken beklagt, China sei Russlands Hauptlieferant unter anderem von Werkzeugmaschinen, Mikroelektronik und Chemikalien, die für die Herstellung von Munition und Raketentreibstoffen unerlässlich seien.

Chinas wichtigster Öl- und Gaslieferant

Allerdings stammt der Großteil der importierten Technologie in russischen Waffen laut einem Bericht der “Financial Times” aus dem Westen. Komponenten von dort werden beispielsweise über China verschifft. Auch Kluge erklärt: “Russische Zolldaten zeigen, dass ein Großteil der chinesischen Ausfuhr nicht ‘Made in China’ ist, sondern für westliche Konzerne wie Intel, Texas Instruments oder Infineon in Drittstaaten wie Malaysia oder Taiwan produziert und von chinesischen Zwischenhändlern weitergereicht wird.”

China und Russland verstärkten ihre wirtschaftlichen Beziehungen bereits seit Russlands völkerrechtswidriger Annexion der Krim 2014, wegen der der Westen erste Sanktionen verhängte. Nach Russlands Invasion in die Ukraine Anfang 2022 unterstützten auch andere Länder die russische Wirtschaft, wie ehemalige Sowjetrepubliken oder die Türkei. Die größte Rolle aber spielt dabei China, das nicht nur mehr Waren nach Russland exportiert, sondern auch dankbar günstiges russisches Öl kauft.

Russlands frühere Schiffslieferungen nach Europa steuerten plötzlich Indien und China an. Russland wurde zum größten Öllieferanten für die Volksrepublik, nachdem die EU einen Importstopp für die Tankerlieferungen verhängt hatte. Auch beim Gas ist Russland Lieferant Nummer eins der Volksrepublik. Gazprom stieg gerade erst zum wichtigsten Lieferanten von Pipelinegas für China auf. Hinzu kommen Flüssiggas-Lieferungen auf dem Seeweg.

Xi nutzt seine ökonomische Dominanz wohl nicht

Putin dürfte bei seiner China-Reise auf eine Stabilisierung der Handelsbeziehungen hoffen. In Bezug auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine stellten sich beide Seiten als verhandlungsbereit dar. Peking sei bereit, eine konstruktive Rolle zu spielen, sagte Xi. Die Volksrepublik dürfte jedoch wenig Interesse haben, ihre ökonomische Dominanz gegenüber Russland auszuspielen, wie Kluge analysiert. Im Krieg gegen die Ukraine scheine der Kreml eher bereit, eine noch größere wirtschaftliche Isolation in Kauf zu nehmen, als seinen Kurs zu ändern. “Gleichzeitig ist für Peking zentral, dass Putin politisch überlebt – nicht nur, weil er derzeit der wichtigste Garant der russisch-chinesischen Partnerschaft ist, sondern auch weil politische Instabilität beim engsten Bündnispartner das Image der chinesischen Machthaber selbst beschädigen könnte.”

Für die geplante Friedenskonferenz in der Schweiz hat die Volksrepublik bislang nicht zugesagt. Putin ist andernorts eingeladen: In der nordchinesischen Industriestadt Harbin besucht er eine russisch-chinesische Handelsmesse.

This article was first published at www.n-tv.de

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