Mega-Auftrag in Krisenzeiten: Kann ein neues Disney-Schiff die Meyer Werft retten?

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Die traditionsreiche Meyer Werft kämpft seit Wochen um ihr Überleben. Die Nachricht, dass sie jetzt den nächsten Kreuzfahrtriesen für ein Unternehmen in Japan bauen soll, lässt aufatmen. Aber die Sache hat einen Haken.

Endlich klang das mal nach guten Nachrichten: Die schwer angeschlagene Meyer Werft hat einen neuen Auftrag ergattert. Am Dienstag unterzeichnete Seniorchef Bernard Meyer, der das Unternehmen in sechster Generation führt, in Tokio einen Vertrag mit der Oriental Land Company (OLC). Das japanische Unternehmen ist Partner des Disney-Konzerns und hat ein neues Disney-Kreuzfahrtschiff bei der Meyer Werft bestellt. 2028 soll der Koloss ausgeliefert werden und 2029 auf die erste Kreuzfahrt gehen.

Bernard Meyer (r.) und Kenji Yoshida mit dem unterzeichneten Vertrag

Bernard Meyer (r.) und Kenji Yoshida mit dem unterzeichneten Vertrag

“Ich bin sehr froh, heute diesen wichtigen Auftrag in Tokio unterschrieben zu haben und erneut einen Kunden aus Japan für die Meyer Werft gewinnen zu können”, ließ Bernard Meyer über eine Pressemitteilung der Werft verkünden. “Das ist ein wichtiger Baustein für die langfristige Zukunft des Schiffbaus in Papenburg.” Ein Foto von Dienstag aus Japan zeigt den lächelnden Patriarchen neben OLC-Chef Kenji Yoshida, stolz halten die beiden den unterzeichneten Vertrag in die Kamera.

Bis 2027 fehlen rund 2,8 Milliarden Euro

Es war vermutlich ein wohltuender Ausflug für Meyer. Denn zu Hause im niedersächsischen Papenburg, mehr als 9000 Kilometer von Tokio entfernt, ist die Zukunft des Schiffsbaus, von der Meyer spricht, ungewiss. Über 200 Jahre alt ist das Familienunternehmen. In der ganzen Welt ist die Meyer Werft für ihre Kreuzfahrtschiffe bekannt, weitere Standorte liegen in Rostock und im finnischen Turku. Doch die traditionsreiche Werft kämpft seit Wochen um ihr Überleben. Es ist die schwerste Krise in der Unternehmensgeschichte. Rund 2,8 Milliarden Euro fehlen der Meyer Werft bis zum Jahr 2027.

Erst einmal klingt das paradox. Denn tatsächlich sind die Meyer-Auftragsbücher gut gefüllt. Insofern werden auch neue Bestellungen wie die für das neue Disney-Schiff die Krise nicht heilen. “Der neue Auftrag zeigt eine Perspektive auf, weil dadurch klar wird, dass Disney weiter auf die Meyer Werft setzt. Das Thema der Finanzierung wird dadurch aber nicht gelöst”, sagt Heiko Messerschmidt, Bezirkssekretär der IG Metall Küste.

Denn die Probleme liegen anderswo: Wenn die Kunden Schiffe bestellen, zahlen sie erst einmal nur 20 Prozent des Auftragswertes an. Die restlichen 80 Prozent fließen erst, wenn die Schiffe ausgeliefert werden. Die Werften müssen sie also vorfinanzieren. Dazu aber fehlt der Meyer Werft derzeit das finanzielle Polster.

Grund ist die Pandemie. Als in den Corona-Jahren Kreuzfahrtschiffe als Virenkarussells galten und immer wieder ganze Dampfer mit Tausenden Passagieren unter Quarantäne gesetzt wurden, kam das Cruise-Geschäft quasi zum Erliegen. Dementsprechend bestellten in dieser Zeit auch die Reedereien keine neuen Kreuzfahrtschiffe.

Die Meyer Werft hielt sich zwar über Wasser, musste aber Schulden machen. Durch die Corona-Auftragslücke werden nun weniger Schiffe als gewöhnlich ausgeliefert und bezahlt. Dazu kommt, dass der Schiffsbau durch die Inflation deutlich teurer geworden ist, etwa wegen gestiegener Stahlpreise und Personalkosten. Da die Schiffspreise mit den Reedereien offensichtlich fest verhandelt sind, kann die Meyer Werft die Mehrkosten nun nicht auf ihre Kunden umlegen.

Bei dem Existenzkampf an der Küste geht es auch um Tausende Arbeitsplätze. Das Unternehmen beschäftigt nach eigenen Angaben rund 7000 Menschen. In Papenburg ist der Schiffsbauer der größte Arbeitgeber in der Region. Die Krise betrifft potenziell nicht nur die rund 3600 Menschen, die direkt in der Werft arbeiten. Tausende weitere Jobs hängen über Zulieferer, etwa Polstereien oder Lackierbetriebe, an der Werft. Eine Insolvenz wäre für die ganze Gegend verheerend. “Die Stimmung in der Region ist extrem angespannt. Egal, ob im Restaurant oder im Supermarkt, die Krise der Meyer Werft ist überall Thema”, sagt Gewerkschafter Messerschmid.

Steuergelder für die Rettung der Werft?

Um Kredit zu bekommen, braucht die Meyer Werft 400 Millionen Euro. Seit Wochen geht es nun darum, ob das Land Niedersachsen und der Bund einspringen, um die Werft mit Steuergeldern zu retten. Private Investoren scheinen bisher kein Interesse zu zeigen. Land und Bund haben laut NDR seit 2005 schon über eine Milliarde Euro in die Werft gesteckt, zum Beispiel für die umstrittene Emsvertiefung, damit die riesigen Kreuzfahrtkolosse von der Werft überhaupt in die Nordsee fahren können. Inzwischen knüpft die Politik mögliche Hilfen an Bedingungen. So hatte die Meyer Holding ihren Sitz einst von der Ems nach Luxemburg verlegt, um keinen Aufsichtsrat einrichten zu müssen. Jetzt gibt es eine Einigung, dass der Sitz zurückgeholt wird und es auch einen Aufsichtsrat geben soll.

Der Einfluss der Familie Meyer könnte in Zukunft kleiner werden. Tim und Jan Meyer, die Söhne von Seniorchef Bernard Meyer, haben die Geschäftsführung im Juni verlassen, wie die “Osnabrücker Zeitung” zuerst berichtet hatte. Laut NDR hatten Banken und Kunden Druck auf die Geschäftsführung der Werft ausgeübt. Der NDR zitierte Bernhard Meyer außerdem mit den Worten, die Familie sei bereit, ihren Beitrag zu leisten. Ob damit auch gemeint sei, dass die Familie die geforderten 400 Millionen Euro zahle, sei unklar.

Die Meyers gehören zu den reichsten Familien des Landes. In der Liste des “Manager Magazins” der 500 reichsten Deutschen tauchten sie zuletzt 2021 auf, seitdem erscheinen sie dort nicht mehrt. Damals geschätztes Gesamtvermögen: 400 Millionen Euro.

Der Artikel erschien zuerst bei Capital.de

This article was first published at www.n-tv.de

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