LNG-Handel an EU-Häfen: Welche Folgen erste Gas-Sanktionen für Putins Kriegskasse haben

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Die EU plant erstmals Sanktionen gegen russische LNG-Exporte. Die Einfuhr in die EU-Länder bleibt davon unberührt. Beschränkungen gelten nur an europäischen Häfen – beim Umschlag von russischem Flüssiggas für den Weltmarkt.

Moskaus Gashandel mit der Europäischen Union floriert. Sanktionen gibt es bislang weder gegen den Import von Pipeline- noch von Flüssiggas (LNG) aus Russland. Für den Kreml ist das nicht nur praktisch, weil er damit EU-Mitgliedstaaten ungestört beliefern kann. Er profitiert auch von der günstigen Lage europäischer Häfen, die ihm als Umschlagplatz seines LNG für den asiatisch-pazifischen Raum dienen. Diesen Re-Export an Europas Küsten wollen die europäischen Staats- und Regierungschefs durch ihr geplantes 14. Sanktionspaket unterbinden.

Russland ist nach den USA der zweitgrößte Lieferant von LNG für die Europäische Union. Allein im Mai dieses Jahres verschiffte Moskau nach Angaben des Brüsseler Thinktanks Bruegel mehr als 1,9 Millionen Kubikmeter russisches Flüssiggas in die EU, die Vereinigten Staaten etwa 4,3 Millionen Kubikmeter.

Über Pipelines importiert die EU seit dem Beginn der Invasion in die Ukraine 2021 insgesamt zwar wesentlich weniger Gas als zuvor. Die Einfuhr von russischem LNG wurde jedoch gesteigert. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie der Klimaschutz-Organisation Research on Energy and Clean Air (CREA). Demnach hat die EU 2023 mindestens 20 Milliarden Kubikmeter russisches LNG eingeführt. Knapp ein Viertel davon wurde in europäischen Häfen in Belgien, Spanien und Frankreich umgeschlagen und in Länder wie China weiterverschifft. Auf diese Umschlagplätze zielt das neue Sanktionspaket.

Für Michael Rochlitz, Professor für die Volkswirtschaft Russlands am St. Antony’s College der Universität Oxford, sind die Sanktionen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Das Verbot des Umschlags russischen LNGs in europäischen Häfen für sich allein sei kein “Gamechanger”, sagt Rochlitz ntv.de. “Die russische Wirtschaft boomt momentan vor allem, weil der Kreml massiv in die Kriegswirtschaft investiert”, so Rochlitz. Finanziert werde dies durch vor 2022 angelegte Reserven, den Export von Gas und Öl nach Indien und China, und in naher Zukunft auch durch eine stärkere Besteuerung russischer Unternehmen. Höchste Priorität habe für den Kreml weiterhin das Voranschreiten der Invasion in der Ukraine. Dies führe zu einem Teufelskreis. “Als Folge der massiven Expansion der Rüstungsindustrie entsteht eine Lobbygruppe, die sich für die Fortsetzung des Krieges einsetzt”, so Rochlitz.

2023 zahlte EU acht Milliarden Euro für russisches LNG

Dennoch bleibt auch der LNG-Export in die Europäische Union eine Einnahmequelle Moskaus. Nach Angaben von CREA ist die EU der größte Kunde für russisches LNG – sie zahlte vergangenes Jahr demnach mehr als acht Milliarden Euro dafür. Auch europäische Unternehmen verdienen an dem Re-Export. Das Gas gelangt durch den Umschlag an den Häfen auch nach Deutschland, allerdings in geringen Mengen. Experten und Umweltschützer schätzen, dass sich der Anteil von russischem Flüssiggas an Deutschlands Gasversorgung im mittleren einstelligen bis niedrigen zweistelligen Prozentbereich bewegt.

Dass die geplanten EU-Sanktionen große Löcher in Putins Kriegskasse reißen, bezweifelt auch Szymon Kardaś, Energie-Experte im Warschauer Büro des European Council on Foreign Relations. Dafür sei der Anteil von LNG am gesamten russischen Energie-Export zu klein, sagt Kardaś ntv.de. Flüssiggas macht nur etwa 15 Prozent der russischen Energie-Ausfuhren aus. Wichtiger ist der Handel mit Erdöl und Ölprodukten.

“Eigentlich hatte Russland große Ambitionen für die Produktion und den Export von Flüssiggas. Bis 2025 wollte es eine Produktionskapazität von 140 Millionen Tonnen erreichen”, sagt Kardaś. Doch der Traum ist geplatzt. Grund dafür sind Auswirkungen von Sanktionen, die von der EU und den USA bereits vor Jahren beschlossen wurden. Sie haben nichts zu tun mit dem Paket, das die europäischen Staats- und Regierungschefs jetzt verabschieden wollen.

High-Tech-Sanktionen treffen LNG-Anlagen in Sibirien

Vielmehr handelt es sich um die indirekten Auswirkungen der Embargos für Hochleistungstechnologien, die bereits kurz nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs verhängt wurden. Russland bekommt dadurch vor allem beim LNG-Transport Probleme. Moskau fehlt das technische Know-how für die Weiterentwicklung seiner Flotte. Eisbrecher etwa kann es nicht mehr herstellen. Sie sind aber nötig für die Fahrt durch arktische Gewässer vor den LNG-Terminals in Sibirien.

Besonders leidet das Projekt Arctic LNG 2 des russischen Unternehmens Novatek in Nordsibirien auf der Halbinsel Gydan unter den Sanktionen. 2023 wurde die erste Produktionslinie der Anlage fertiggestellt. Eigentlich sollte diese Produktionslinie 6,6 Millionen Tonnen LNG pro Jahr exportieren. “Aber noch konnte gar nichts von Arctic LNG 2 aus verschifft werden. Die Hochleistungstechnologie dafür fehlt. Russland konnte deshalb bislang manche Verträge für Gaslieferungen nicht einhalten, die es etwa mit Frankreich geschlossen hat”, so Kardaś.

This article was first published at www.n-tv.de

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