Kriege, Krisen, Konflikte: Angstwährung Gold – so geht Crash-Schutz fürs Depot

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Seit Februar geht es mit dem Goldpreis steil nach oben. Marktstratege John Reade verrät, wie Anleger ihr Portfolio krisenfest machen können. Worauf sie dabei achten müssen und welche Parallelen es zum Bitcoin gibt.

Kriege, Konflikte und der wirtschaftliche Abschwung machen vielen Menschen Angst. Feiert Gold in solch einem Umfeld ein Comeback als Krisenschutz?

John Reade: Gold hat viele Eigenschaften. Eine, die es zu einem sinnvollen Bestandteil in einem Portfolio macht, ist, dass sich der Preis unabhängig von den Ereignissen am Aktien- und Anleihenmarkt entwickelt. Gibt es eine Krise, brechen Aktienkurse oft rasant ein. Der Goldpreis entwickelt sich dann normalerweise gut. Gold ist also durchaus ein Crash- und Krisenschutz im Portfolio.

Wie entwickelt sich der Preis dabei typischerweise?

Der Goldpreis steigt in solchen Fällen kurzfristig und bleibt bis zu drei Monate stark. Spekulationen auf den Goldpreis sind jedoch schwierig, weil plötzliche Preissteigerungen meist mit einer unvorhergesehenen Krise einhergehen. Es macht aber Sinn, Gold langfristig zu halten – quasi als beruhigendes Element im Depot.

In diesem Jahr wählt ein Großteil der Menschen eine neue Regierung, unter anderem in den USA. Wie verhält sich der Goldpreis rund um eine solche Wahl?

In der Regel sind Goldkäufer in den USA meist älter, männlich und konservativ. Sie kaufen Gold, wenn sie Angst haben. Aber sie haben weniger Angst, wenn ihr Mann an der Macht ist. Das dürfte Gold schwächen. Bei einer weiteren Präsidentschaft Trumps besteht die Möglichkeit, dass sich die USA weiter isolieren könnten, weil er Organisationen wie die NATO und die UN derzeit nicht zu unterstützen scheint. Und er wird schneller Sanktionen gegen Länder einsetzen. Diese Faktoren werden voraussichtlich die Nachfrage nach Gold ankurbeln. Zentralbanken in den Entwicklungsländern werden dann ihre US-Dollar-Bestände zumindest teilweise gegen Alternativen eintauschen wollen.

Und Gold ist dann die Alternative der Wahl?

Wir haben schon im vergangenen Jahr verstärkt Goldkäufe von Zentralbanken gesehen. Die Institute bereiten sich damit auf eine multipolare Welt vor, in der der Dollar als Leitwährung keine so dominante Rolle mehr spielt. Weil aber noch keine andere Währung stark genug ist, um dem Dollar Konkurrenz zu machen, parken die Zentralbanken ihr Kapital zwischenzeitlich in Gold.

Welche Währungen könnten denn künftig eine zentrale Rolle spielen?

Der chinesische Renminbi, die indische Währung Rupie, vielleicht der indonesische Rupiah und der Real aus Brasilien wollen Konkurrenz machen. Diese Währungen können jedoch noch nicht gekauft werden. Klar ist, das wird noch Jahre dauern, in denen die Länder weiterwachsen und ihre Finanzmärkte reformieren müssen.

Könnten die Zentralbanken ihre Währungen mit Gold hinterlegen, wie es zu Zeiten des Goldstandards üblich war? Manche glauben das ja.

Gold in USD 2.180,53

Ich glaube das nicht. Es könnte sein, dass die Länder mit der Ambition, ihre Währungen zur Leitwährung aufsteigen zu lassen, Gold kaufen, weil die Zentralbanken in entwickelten Märkten viel davon halten. Sie wollen mitziehen.

Gilt die Faustregel “Schwächelt der Dollar, steigt der Goldpreis” noch?

In den vergangenen Jahren war das nicht so: Gold hat sich gut entwickelt, obwohl der Dollar stark war, wegen all der Krisen. Nun werden wahrscheinlich in diesem Jahr die Zinsen zuerst in den USA gesenkt. Es kann sein, dass die jüngste Gold-Rally damit zusammenhängt: Da Zinssenkungen den Dollar schwächen, schichten Anleger um. Dann stimmt es also wieder. Der Goldpreis steigt meist stärker, als die Währung nachgibt, weil sich die Investoren gegen einen weiteren Verfall des Dollars absichern wollen.

Zurück zum Krisenschutz: Viele Fans von Kryptowährungen meinen, dass Bitcoin digitales Gold sei. Kann es auch als Krisenschutz dienen?

Es gibt Parallelen zwischen Bitcoin und Gold: Das Angebot ist begrenzt und wächst jedes Jahr langsamer. Das ist bei Gold genauso. Und es ermöglicht, Geld außerhalb des Finanzsystems anzulegen. Aber entscheidend sind die Unterschiede. Es gibt vielleicht den einen oder anderen Investor, der hin und wieder auf den Goldpreis spekuliert. Bitcoin wird jedoch nur von Investoren gehalten, die auf Preissteigerungen wetten. Gold diversifiziert ein Portfolio und reduziert die Risiken – zumindest, wenn die Beimischung zwischen fünf und zehn Prozent der Gesamtsumme des Portfolios beträgt. Mit Bitcoin erhöhen Anleger die Volatilität, und zwar so, als würden sie in die riskantesten Tech-Aktien des Nasdaq investieren.

Aber die Kurse von Kryptowährungen steigen bei lokalen Krisen.

Ohne Zweifel spielen Kryptowährungen eine Rolle, wenn es darum geht, Devisenkontrollen zu umgehen und Geld außer Landes zu schaffen.

Spekulativere Finanzprodukte wie Gold-ETFs kommen im Vergleich zu Kryptowährungen auf kein großes Volumen. Warum ist das so?

Börsengehandelte Goldprodukte spielen nur eine kleine Rolle auf dem gesamten Goldmarkt. Gerade in Europa ist der Markt für mit Gold unterlegte ETF unterentwickelt, sie sind schlicht nicht zugelassen. ETP, die in Derivate investieren und hier investierbar sind, zählen wir nicht mit, wenn wir unseren jährlichen Goldreport schreiben. Wir berücksichtigen lediglich Fonds, bei denen der Emittent das Gold selbst hält.

Wer investiert denn in diese ETFs?

Es sind im Regelfall institutionelle Investoren. ETFs sind der schnellste und einfachste Weg, um in Gold zu investieren. Es lässt sich wie eine Aktie handeln und viele investieren nur kurz, weil sie auf Preissteigerungen spekulieren. Andere, die eine große Summe in Gold anlegen wollen, parken diese oft vorerst in einen ETF, etwa, bis sie ein Schließfach oder einen sogenannten “Metal Account” bei einer Bank eröffnet oder die Infrastruktur eingerichtet haben, um das Gold selbst aufzubewahren. Abflüsse bedeuten also nicht, dass der Investor ausgestiegen ist. Es kann sein, dass er einfach die Investmentform gewechselt hat.

Im vergangenen Jahr hat der außerbörsliche Handel massiv zugenommen. Welche Akteure sind auf dem Schattenmarkt aktiv?

Im Prinzip ist die Zahl, wie viel jenseits der Börsen gehandelt wird, eine Schätzung: Wir schauen uns das Goldangebot an und ziehen davon die offizielle Nachfrage, etwa nach Barren und Münzen, aber auch der Industrie und der Schmuckhersteller ab. Es gibt jedoch keine harten Fakten. Aber es gibt Hinweise darauf, dass Reiche und Unternehmen in Asien außerbörslich Gold gekauft haben. In Hongkong und Singapur eröffnen aktuell eine Menge neuer Family Offices. Viele ihrer Kunden kommen aus China. Die investieren aus den gleichen Gründen in Gold, aus denen zuletzt auch die Zentralbanken vor allem in Schwellenländern zugekauft haben. Auch in der Türkei war die außerbörsliche Nachfrage hoch, weil die Lira so massiv abgewertet hat und die Inflation hoch gewesen ist. Im Prinzip versteckt sich also im außerbörslichen Handel eine gesunde Nachfrage nach Gold.

Hat es Nachteile, Gold außerbörslich zu kaufen – warum kaufen die Unternehmen nicht an Börsen ein?

Ja, es gibt Nachteile, wenn man das Gold wieder verkaufen möchte. Wer an der Börse kauft oder das Gold in einem Bankdepot liegen hat, verkauft auf einem transparenten Markt. Das Bargeld wird einfach aufs Konto gebucht. Ansonsten kommt man vielleicht gegenüber der Bank in Erklärungsnot. Hinzu kommt, dass die Kosten für Lagerung sowie Kauf und Verkauf höher sind. Das macht nur Sinn, wenn man Gold lange halten will, wie zum Beispiel Zentralbanken. Investmentgesellschaften halten in der Regel drei Viertel physisch und ein Viertel als ETF.

Haben Regulatoren oder Länder wie China mit Kapitalverkehrskontrollen kein Interesse daran, den außerbörslichen Handel auf einsehbare Plattformen zu holen?

In China gibt es kaum außerbörslichen Handel. In westlichen Märkten wie in den USA, Großbritannien und der Schweiz legt man sehr großen Wert auf Privatsphäre. Und ich denke, das sollten wir respektieren. Es gibt Gründe, wieso die Menschen ihren Goldbesitz privat halten wollen. Transparenz ist deshalb nicht gut – außer für die Regulatoren.

Mit John Reade sprach Birgit Haas

Der Artikel erschien zuerst bei Capital.de.

This article was first published at www.n-tv.de

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