Deutsche Autokonzerne alarmiert: Warum es Strafzölle für Chinas E-Autos gibt – und wen sie hart treffen

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Bahnt sich ein Handelskrieg zwischen China und der EU an? Das zumindest befürchten die deutschen Autohersteller. Sie sind direkt betroffen von den Strafzöllen für den Import von E-Autos aus China in die EU. Für die Kommission sind die Zölle hingegen ein Mittel, um Risiken zu senken.

Die deutschen Autohersteller sind in Aufruhr. Die EU-Kommission hat vorläufige Strafzölle auf den Import von Elektroautos aus China in die Europäische Union verhängt. Auch die deutschen Konzerne sind davon direkt betroffen – darunter VW, BMW und Mercedes. VW etwa produziert gemeinsam mit dem chinesischen Autokonzern SAIC in einem Joint Venture in der Gemeinde Anting nahe Shanghai. SAIC wird mit Zöllen von 38 Prozent belegt, während die chinesischen Konkurrenten Geely und BYD eine Abgabe von 20 beziehungsweise 17 Prozent leisten müssen. Deutsche Hersteller müssen mit neuen Zöllen von mindestens 21 Prozent rechnen. Diese werden zu der Abgabe von 10 Prozent addiert, die bislang für alle Einfuhren von E-Autos aus China in die EU fällig waren.

Bundesverkehrsminister Volker Wissing zeigt sich deshalb besorgt. “Einen Handelskrieg mit China kann sich niemand wünschen. Es wäre für Deutschland eine Katastrophe und es wäre auch für die Europäische Union nicht von Vorteil”, sagte Wissing der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Auch die Wirtschaftsminister aller Bundesländer fürchten durch die Zölle einen Schaden für die heimische Industrie. “Man meint, die Chinesen zu schneiden, und schneidet sich vielleicht selbst”, sagte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger zum Abschluss eines zweitägigen Treffens mit seinen Amtskollegen in Landshut.

Was bei vielen deutschen Politikern auf Unverständnis stößt, ist aus Sicht der EU-Kommission ein logischer Schritt. Unter dem Stichwort De-Risking will sie das Risiko einer Abhängigkeit von übermächtigen Handelspartnern wie China mindern. Insbesondere Frankreich drängte immer wieder auf die Einführung der nun verhängten Zölle. Paris setzt generell gerne auf protektionistische Maßnahmen, um seine Wettbewerbsposition zu verbessern. Der chinesische Markt ist für französische Autohersteller wie dem Stellantis-Konzern oder Renault im Vergleich zur deutschen Konkurrenz relativ unwichtig. Schon im September kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, eine Untersuchung wegen Pekings staatlicher Unterstützung für seine E-Auto-Branche einzuleiten.

“Für die deutschen Autokäufer wären Strafzölle ein Graus”

Das Ergebnis der Prüfung: Die übermäßige Subventionierung der chinesischen E-Autoproduktion über die gesamte Lieferkette hinweg führe zu Wettbewerbsverzerrungen. Sie gefährde den Aufbau einer rentablen Herstellung von Elektrofahrzeugen hierzulande. Durch die staatliche Förderung könnten chinesische Konzerne beim Export nach Europa höhere Gewinne erzielen. Diese Gewinne schöpfe Peking wiederum ab – damit es weiter in seine Konzerne investieren kann. Europäische Autohersteller könnten auf Dauer im Preiskampf nicht mithalten. Sie hätten bei der Produktion höhere Kosten, da sie weniger von Staatshilfen profitieren als die Konkurrenz aus China.

Ein Preisanstieg für Käufer chinesischer E-Autos hierzulande werde nicht erwartet, heißt es aus Kommissionskreisen. Es wird davon ausgegangen, dass die chinesischen Unternehmen die niedrigeren Gewinne durch die Zölle akzeptieren und die höheren Kosten nicht an Verbraucher weitergeben.

Frank Schwope, Lehrbeauftragter für Automobilwirtschaft an der FHM Hannover, ist da anderer Meinung. “Für die deutschen Autokäufer wären Strafzölle ein Graus und würden die ehedem schon teuren Elektroautos zusätzlich verteuern”, sagt er ntv.de. Mit Importbeschränkungen schade die EU sowohl der deutschen Autoindustrie als auch den Verbrauchern massiv und bringe diese gegen sich auf. Für alle deutschen Autohersteller sei China seit Jahren der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt. “Strafzölle der EU würden zu Gegenmaßnahmen der chinesischen Regierung führen und die deutschen Hersteller massiv belasten”, so Schwope.

Kommission will mit Peking verhandeln, bevor sie Zölle einführt

Zudem bleibt eine große Schwemme chinesischer E-Autos auf dem europäischen Markt bislang aus. Von Januar bis April wurden lediglich 116.000 rein chinesische Fahrzeuge in Westeuropa verkauft, bei einem Gesamtmarktabsatz von 4,01 Millionen. Die Marktanteile originär chinesischer Elektroautos bei den Neuzulassungen in Westeuropa schrumpften von 3,0 auf 2,9 Prozent. Zu den originären Marken zählen jedoch nur die chinesischen Hersteller. Die Modelle, die für europäische Marken in China gefertigt und in die EU importiert werden, sind nicht erfasst.

In Deutschland wiederum wurden in den ersten vier Monaten 2024 dieses Jahres 111.005 reine Elektroautos (BEV) zugelassen. Der Marktanteil lag damit bei 11,8 Prozent nach noch 14,3 Prozent im Jahr 2023. Unter diesen BEV waren 6073 E-Fahrzeuge aus China – mit einem Marktanteil von 0,65 Prozent. Weltmarktführer BYD mit seinen großen Expansionsplänen in Europa und Deutschland kam nur auf einen Absatz von 576 Stück.

Ob die Strafzölle tatsächlich kommen, steht noch nicht fest. Die Kommission führt noch bis Anfang Juli Gespräche mit Konzernen und chinesischen Behörden. Sie will die Zölle nur dann einführen, wenn sie sich mit Peking nicht auf anderweitige Lösungen einigt. Welche Lösungen das sein könnten, teilt sie nicht mit. Falls die Verhandlungen ins Leere laufen, werden die Importbeschränkungen ab dem 4. Juli eingeführt. Dabei handelt es sich allerdings nur um vorläufige Zölle. Diese kann die Kommission auch ohne Zustimmung der Mitgliedsstaaten festlegen.

Tesla hat individuell berechneter Zoll beantragt

Im November soll der Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs dann darüber abstimmen, ob er die Zölle dauerhaft festlegt. Um die Einführung langfristiger Strafzölle zu verhindern, ist eine qualifizierte Mehrheit nötig.

Noch wissen nicht alle Hersteller, mit welchen Zöllen sie rechnen müssen. Dem US-Autobauer Tesla, der in China viel für den europäischen Markt produziert, kann auf einen Antrag hin ein individuell berechneter Zoll auferlegt werden, wie die Kommission mitteilt. Tesla produziert das Model 3 und teilweise auch das Model Y in seinem Werk in Shanghai für den europäischen Markt. Diese Modelle sind die beiden meistverkauften E-Autos in der EU.

Die Kommission zerstöre mit ihren De-Risking-Maßnahmen die deutsche Autoindustrie, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des Center Automotive Research in Bochum, ntv.de. “Bis 2030 wird China für deutsche Autohersteller ein so großer Markt sein wie die USA und die EU zusammen”, so Dudenhöffer. Es sei unbedingt nötig, auf verstärkte Zusammenarbeit statt auf Abschottung zu setzen – auch um die technischen Innovationen voranzutreiben. Peking baue seit 30 Jahren konsequent die Batterietechnik aus. Wenn die EU jetzt auf Protektionismus setze und die europäischen Hersteller damit nicht durch die Zusammenarbeit mit chinesischen Konzernen lernen lasse, “wird deutschen Unternehmen nicht gestattet, an diesen technischen Innovationen teilzuhaben”, so Dudenhöffer. Das Gleiche gelte für die Technik des autonomen Fahrens und der Unterhaltungselektronik in Autos, wo China Spitzenreiter sei. Die Kommission solle auf die Empfehlungen der Industrie hören, statt gegen sie zu arbeiten.

De-Risking aus Furcht vor möglichem Überfall Taiwans

Es ist nicht das erste Mal, dass von der Leyen vorgeworfen wird, zu wenig für die wirtschaftlichen Belange der deutschen Konzerne zu tun. Immer wieder wird sie dafür kritisiert, die Interessen der Industrie zu ignorieren – etwa bei den Gesetzesvorgaben für ihre Klima-Agenda, dem Green Deal. In ihrer Partei bekam die CDU-Politikerin schon oft Gegenwind für ihre ehrgeizige Umweltpolitik. Besonders Parteichef Merz drängt von der Leyen dazu, den wirtschaftlichen Wohlstand in den Fokus zu rücken, sollte sie ein zweites Mal das Amt der EU-Kommissionspräsidentin antreten. Bei einem Auftritt mit Merz Mitte Februar gelobte von der Leyen Besserung. Sie wolle gemeinsam “mit der Wirtschaft” die Klimaziele erreichen, dabei sei ihr “Planbarkeit und Verlässlichkeit für Investoren” wichtig, betonte sie.

Planbarkeit und Verlässlichkeit für Investoren sind allerdings eine heikle Sache, wenn es um die wirtschaftliche Kooperation mit China geht. Weltweit wächst die Sorge vor einer Einnahme Taiwans durch China. Peking übt sich in Drohgebärden gegen den Inselstaat, den es nicht als unabhängige Nation anerkennt. Sollte es Taiwan überfallen, müssten die USA ihr Versprechen einlösen, Taipeh Beistand zu leisten. So stellt sich die Frage, ob die Vereinigten Staaten und ihre westlichen Alliierten irgendwann extreme Sanktionen gegen chinesische Produkte verhängen müssen. Diese abrupte Abkopplung von der chinesischen Wirtschaft würde die EU härter treffen als die Strafzölle, die jetzt eingeführt werden. Das ist auch der Grund für von der Leyens De-Risking-Strategie: Sie will die Europäische Union allmählich aus der Abhängigkeit von der chinesischen Wirtschaft lösen, um im Fall einer Einnahme Taiwans einen Schock zu verhindern.

This article was first published at www.n-tv.de

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