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Detektive jagen Signa-Schatz: “René Benko hat keine Milliarden mehr – das ist pure Hysterie”

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Detektive jagen Signa-Schatz: “René Benko hat keine Milliarden mehr – das ist pure Hysterie”

René Benko hat sich mit der Pleite seiner Signa-Gruppe viele Feinde gemacht. Laut Gläubigerschutzverbänden verlangen die geprellten Investoren vom 47-jährigen Firmengründer aus Österreich rund zwei Milliarden Euro zurück. Staatsfonds und Scheichs aus Abu Dhabi und Saudi-Arabien sowie andere reiche Unternehmer, die einst zu seinen Bewunderern gehörten, heuerten teils Detektive an, um ein vermutetes verstecktes Vermögen des gefallenen Signa-Masterminds aufzustöbern. ntv.de fragt den Investigativjournalisten und Signa-Beobachter Thomas Steinmann von “Capital”, ob es diesen verborgenen Schatz wirklich gibt, was die Geldgeber bei ihrer Jagd antreibt und was der Ex-Milliardär zu befürchten hat.

ntv.de: Gibt es einen verborgenen Signa-Schatz, wo René Benko große Summen Geld gehortet hat?

Thomas Steinmann: Das ist tatsächlich die Eine-Million-Dollar-Frage. Auf dem Papier ist Benko heute zwar kein armer Mann, aber eben auch kein reicher mehr. Im Rahmen seines privaten Insolvenzverfahrens als Einzelunternehmer hat er selbst offiziell angegeben, dass er von ein paar Tausend Euro im Monat lebt und finanziell von seiner Mutter abhängt. Allerdings gibt es Hinweise, dass Benko und seine Familie in früheren Zeiten ein paar Reserven angelegt haben – versteckt in sehr komplexen Stiftungskonstruktionen, insbesondere in Liechtenstein. Darüber hinaus sollen solche Stiftungen aus dem Familienumfeld von Benko auch noch über ein stattliches Immobilienvermögen verfügen, das unabhängig von der Signa-Gruppe besteht.

Mit Benkos Familie sind gleich mehrere Privatstiftungen verbunden. Es heißt, Benko selbst sei dort nicht der Begünstigte, sondern Familienmitglieder. Kommen die Investoren an das Vermögen dieser Stiftungen ran?

Es dürfte schwierig werden. Die Stiftungen sind genauso intransparent wie das ganze Signa-Firmengeflecht. Benkos bekannteste Stiftung, die Familie-Benko-Privatstiftung mit Sitz in Innsbruck, ist selbst insolvent. Sie war eng mit dem Signa-Geflecht verstrickt und wurde von der Pleite mitgerissen. Dann gibt es in Österreich die Laura-Privatstiftung, benannt nach seiner Tochter Laura. Eine dritte, sehr interessante Stiftung ist die Ingbe Stiftung in Liechtenstein. Hier soll die Begünstigte Benkos Mutter Ingeborg sein. Für Benkos Gläubiger dürfte es unmöglich sein, in Liechtenstein etwas zu holen. Möglicherweise sieht es bei den Stiftungen in Österreich anders aus. Aber auch das wäre ein harter und zäher juristischer Kampf.

Thomas Steinmann ist Investigativjournalist und Signa-Beobachter bei "Capital". Er verfolgt auch den Wirecard-Prozess.

Thomas Steinmann ist Investigativjournalist und Signa-Beobachter bei “Capital”. Er verfolgt auch den Wirecard-Prozess.

Forbes hat Benkos Privatvermögen 2021 auf knapp sechs Milliarden Dollar geschätzt. Steckt das alles in diesen Stiftungen?

Das damalige Milliardenvermögen resultierte aus dem Wert von Benkos Unternehmensbeteiligungen im Signa-Reich. In den guten Zeiten kontrollierte Signa schließlich ein Immobilienvermögen von weit über 20 Milliarden Euro. Aus den Beteiligungen kam für Benko natürlich immer wieder Geld herein: Ausschüttungen an die Anteilseigner, seine Honorare als Berater – Benko war bei Signa in den vergangenen Jahren kein Geschäftsführer, sondern formal Berater – und andere Zahlungen. Auf diese Weise dürften wohl Gelder in den Stiftungen gelandet sein.

Was ist bei Benko noch zu holen, reden wir über Milliarden oder eher Millionen?

Nach meiner Einschätzung maximal dreistellige Millionenbeträge, auf jeden Fall keine Milliarden. Das ist pure Hysterie. Österreichische Investigativjournalisten von “News” und “Krone” haben beispielsweise in der Liechtensteiner Ingbe-Stiftung noch ein ordentliches Vermögen gefunden: Kontoguthaben und Goldbestände in jeweils satt zweistelliger Millionenhöhe. Was ebenfalls noch werthaltig ist und worauf die Gläubiger spekulieren, sind Immobilien in einer Art “privaten Signa”, bei der die Familie Benko über Stiftungen mitmischen soll. Dabei geht es unter anderem um das Rausch-Schokoladenhaus am Berliner Gendarmenmarkt und Immobilien in Chemnitz oder Leipzig.

Das sind zwar keine Filetstücke wie das KaDeWe und andere bekannte Immobilien, die der Signa-Gruppe gehören. Aber von der Masse her dürfte sich das summieren. Allerdings wird es für die Gläubiger schwierig sein, hier heranzukommen, weil die Beteiligung eben über die Stiftungskonstruktionen läuft. Man gewinnt den Eindruck, Benko hat rechtzeitig Vorkehrungen für den Fall getroffen, dass Signa kollabiert, damit seine Familie nicht das gesamte Vermögen verliert.

Wichtige Signa-Investoren haben deshalb Juristen, Forensiker und Detektive in die Spur geschickt. Sie betreiben auch finanziell einen Riesenaufwand, um Geldquellen für ihre Forderungen zu finden. Welche Chancen räumen sie dieser Suche ein?

Dazu lassen sich zwei Dinge sagen: Zum einen geht es manch einem der Investoren nicht allein ums Geld, sondern auch darum, Benko nicht einfach davonkommen zu lassen und ihn unter Druck zu setzen. Zum anderen will man sich wohl die Niederlage nicht eingestehen und erhofft sich, vielleicht doch noch einen Zufallstreffer zu landen. Auch wenn von vornherein klar ist, dass nicht alle ihren Einsatz wiederbekommen werden.

Für die geprellten Investoren ist die Jagd nach Benkos Vermögen eine Frage der Ehre?

Ja, das gilt insbesondere für Benkos Investoren aus Nahost, zu denen Staatsfonds und Herrscherfamilien aus den Vereinigten Arabischen Emiraten oder Kuwait gehören. Viele Unternehmer und Firmen aus Europa, die Geld bei Signa geparkt haben, haben ihr Investment abgeschrieben. Auch von dieser Seite kann es aber natürlich noch zu Klagen kommen.

Die Jagd auf Benko und sein Vermögen ist also unterschiedlich motiviert, je nachdem, wo diese Milliardäre, die auf Benko und seine Immobilien-Tricks gewettet haben, herkommen. Gibt es Gemeinsamkeiten?

Die Investoren der ersten Stunde waren vielfach Männer fortgeschrittenen Alters, erfolgreiche Unternehmer, sehr vermögend und in Niedrigzinszeiten unter Druck, ihr Geld anzulegen. Benko hat ja immer hohe Renditen versprochen und über Jahre geliefert. Der inzwischen verstorbene Ex-Formel-1-Fahrer Niki Lauda, der auch zu dieser Altherrenriege gehörte, hat mir einmal berichtet, wie zufrieden er mit den Renditen war. Heute wissen wir, dass diese Ausschüttungen an die Investoren häufig aus der Substanz oder Buchgewinnen bezahlt wurden. Der Wert der Immobilien wuchs auf dem Papier. Das Geld für die Ausschüttungen musste anderswo besorgt werden – bilanztechnisch in Ordnung, aber so etwas funktioniert nur, solange es ausreichend Geldquellen gibt.

Was haben diese älteren Herren in Benko gesehen?

Ich vermute, ein bisschen sich selbst: einen Aufsteiger, abgezockt, hart arbeitend, der etwas erreichen will, aber auch etwas kann. Deshalb haben ihm erfolgreiche Unternehmer wie Roland Berger, Klaus-Michael Kühne oder auch Niki Lauda vertraut. Solche Deals haben die Eigenschaft, dass sie unter Männern per Handschlag vereinbart werden können, ohne dass wie bei börsennotierten Konzernen Aufsichtsgremien oder Compliance-Abteilungen ihr Veto einlegen. Die Patriarchen haben bestimmt.

Die Investoren aus Nahost sind ein anderes Kaliber?

Die Geschäfte mit den Investoren vom Golf, die im Laufe der Zeit bei Signa eingestiegen sind, waren jedenfalls nicht das Resultat von Männerfreundschaften. Hier war der Türöffner häufig der ehemalige österreichische Kanzler Sebastian Kurz, der Benko auf Reisen nach Nahost in seiner Wirtschaftsdelegation mitgenommen hat. Die Scheichs wurden in erster Linie übers Geld geködert. Manch ein Fonds vom Golf hat Benko noch Geld zur Verfügung gestellt, als die klassischen Banken schon auf Distanz gegangen waren. Dafür musste Signa allerdings horrende Zinsen zahlen.

Benko soll seinen Personenschutz aufgestockt haben. Muss er um seine Sicherheit fürchten?

Das denke ich nicht. In den ersten Wochen und Monaten nach der Insolvenz hieß es, Benko gehe mehr oder weniger normal ins Büro. Zeitweise soll er sogar in Wien noch im Signa-Büro gewesen sein, während nebenan der Insolvenzverwalter Bürogegenstände versteigert hat. Das ist nun mehr als ein halbes Jahr her. Seitdem ist Benko weder abgetaucht noch hat er sich ins Ausland abgesetzt. Stattdessen wehrt er sich mit seinen Anwälten gegen alle Vorwürfe. Vor ein paar Wochen ist er im Rahmen seines persönlichen Insolvenzverfahrens sogar kurz vor Gericht aufgetaucht. Im Mai sagte er zudem in einem Untersuchungsausschuss im österreichischen Parlament aus. Dass wütende Investoren Benko nach dem Leben trachten, glaube ich nicht. Die Aufgabe der von ihnen eingeschalteten Detektive ist nicht, ihn persönlich zu stellen. Sie sollen herausfinden, ob irgendwo unbekanntes Vermögen versteckt ist.

Wo stehen wir bei der Aufarbeitung der Signa-Insolvenz?

Bei der juristischen Aufarbeitung noch ganz am Anfang. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland laufen Ermittlungen, diese sind aber in einem frühen Stadium. Und alle Betroffenen weisen die Vorwürfe strikt zurück, allen voran Benko. Am Ende könnten die Verfahren die Zivil- und Strafgerichte ähnlich lange beschäftigen wie die Diesel-Affäre oder Wirecard. Das kann sich über fünf Jahre hinziehen, vermutlich sogar noch länger.

Mit Thomas Steinmann sprach Diana Dittmer

This article was first published at www.n-tv.de